Wenn 2.600 Ausbildungsplätzen etwa 1.500 Bewerberinnen und Bewerber gegenüberstehen, dann wird auf den ersten Blick klar, dass es auf dem Ausbildungsmarkt eine Unwucht gibt. Junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, fürchten die Einstiegstests, andere gehen lieber studieren, viele sind sich kaum darüber im Klaren, welchen Weg sie eigentlich einschlagen wollen. Für Unternehmen wird es hingegen immer schwieriger, geeignete junge Leute für vakante Ausbildungsplätze zu finden. Zwei Seiten einer Medaille, die scheinbar trotzdem kaum zusammenpassen?
Dass genau diese Situation sich immer wieder auf dem Ausbildungsmarkt darstellt, mag eine Erkenntnis sein, die viele Menschen umtreibt. Was man aber tun kann, damit beide Bilder doch wieder zusammenpassen und ein großes Ganzes – und zwar im positiven Sinn – ergeben, das war am vergangenen Donnerstag in der laufenden „Woche der Ausbildung“ Thema. Beispielhaft fand dazu ein Treffen bei der OTTO FUCHS KG statt, einem Unternehmen, das seit vielen Jahren kontinuierlich in inzwischen 14 verschiedenen Berufsfeldern ausbildet. Mit dabei: Norbert Breuer, kaufmännischer Geschäftsführer, Valesca Blau und Jürgen Ackerschott, verantwortlich für die Ausbildung, sowie Azubi Sean Thipkan von OTTO FUCHS. Ebenfalls vertreten waren Regina Linek vom Arbeitgeberservice und Stellenvermittlerin Britta Holthaus-Kleiner, beide von der Arbeitsagentur Meinerzhagen, und Bürgermeister Jan Nesselrath. Gemeinsam sprachen sie über die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt, über Möglichkeiten und Chancen und vor allem die Frage, wie man die Lücke zwischen Bewerbenden und Ausbildungsbetrieb schließen kann.
Schnupperprogramme und Einstiegsqualifizierung: spezielle Tools für spezielle Situationen
Dabei ist es tatsächlich oft gar nicht so einfach, die offenen Ausbildungsplätze angemessen zu besetzen, davon wussten auch die Vertreterinnen und Vertreter von OTTO FUCHS zu berichten. Eine Situation, für die jedoch in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit neue Ansätze gesucht und gefunden wurden. Norbert Breuer: „Tatsächlich mussten wir einen Rückgang der Bewerbungen verzeichnen und gleichzeitig feststellen, dass einige Bewerber bei den Einstellungstests nicht so abschnitten, wie wir uns das gewünscht hätten. Deshalb haben wir für solche Fälle die so genannte Einstiegsqualifizierung eingeführt.“ Was sich dahinter verbirgt, erklärt Sean Thipkan: „Im Grunde handelt es sich dabei um ein mehrmonatiges vergütetes Praktikum, bei dem man lernen und feststellen kann: Ist dieser Job etwas für mich? Erfülle ich die Anforderungen vielleicht doch? So bekommt man einen Einblick und vor allem die Chance, ohne Druck zu lernen und sich schließlich auch zu bewähren.“ Ist dies der Fall, schließt sich die Ausbildung an das Praktikum an, dessen Zeitraum auf die Ausbildung angerechnet werden kann. Der Ausbildungsleiter für gewerbliche Ausbildungsberufe, Jürgen Ackerschott, ergänzt: „Auf diese Weise geben wir auch vermeintlich Schwächeren eine Chance, die sich oft im Arbeitsalltag als ganz hervorragende Arbeitskräfte erweisen.“ Mit speziellen „Lernen lernen-“ und Förderprogrammen werden die jungen Leute besonders in den ersten Wochen begleitet. So werden sie auf den Arbeitsalltag und auch weitere Themen von Versicherung bis hin zur Verwaltung der eigenen Finanzen besprochen – auch das ist eine Maßnahme, die bei den Auszubildenden gut ankommt.
Erfolgsgeschichten machen deutlich: Individuelle Begleitung macht stark
Der Erfolg gibt den Beteiligten bei der Entwicklung dieser Maßnahmen recht: Aus der weit überwiegenden Mehrzahl der so eingearbeiteten Azubis wurden versierte Fachkräfte. Auch ein Berufseinsteiger mit geringen Deutschkenntnissen ist über die Einstiegsqualifizierung mit nachfolgender Stufenausbildung und unterstützendem Deutschkursen erfolgreich im Berufsalltag verankert. „Und das sind die Geschichten, die zeigen: Wir liegen richtig“, so Jürgen Ackerschott, „und jede einzelne ist ihren Einsatz wert.“
Ganzheitlich denken – gemeinsam handeln: Wie alle Beteiligten zusammen profitieren können
Das bestätigten auch die Vertreterinnen der Bundesagentur für Arbeit, die Unternehmen und Betriebe ebenso wie junge Menschen und Arbeitssuchende auf ihrem Weg in die Berufstätigkeit mit Rat und Tat unterstützt. Sie selbst begleiten verschiedene Initiativen, auch schon an Schulen, mit denen ein Ausbildungsplatz im Anschluss an die Schulzeit in greifbare Nähe rückt. Dabei bleibt klar: Um das Ziel zu erreichen, müssen alle am Ball bleiben. Das sieht auch Bürgermeister Jan Nesselrath so, der von Seiten der Stadt besonders die Wirtschaftstreibenden, aber auch die Schulen und Bildungseinrichtungen in ihren Anstrengungen für einen ausgeglichenen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt aktiv unterstützt: „Gerade hier kann man sehen, wie eng verzahnt die einzelnen Themenbereiche sind – hier gehen so zentrale Aspekte wie Wirtschaftskraft, Ausbildung, Fachkräftesicherung und damit Zukunftsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt Hand in Hand mit Lebensqualität und einer lebendigen Stadt. Deshalb ist es so wichtig, dass alle Seiten immer wieder miteinander sprechen und gemeinsam über Wege nachdenken, um die komplexen Aufgabenfelder in einem ganzheitlichen Ansatz nach vorne zu bringen.“
Eine Ansicht, die die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner auch am vergangenen Donnerstag teilten. Das gemeinsame Fazit: Initiativen und Erfolgsgeschichten wie diese sollten auch in einem Netzwerk ausgetauscht werden, das über die Woche der Ausbildung hinweg Bestand hat.
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