Es wird viel darüber geredet, noch mehr darüber geschrieben: Zum Thema Homeschooling gibt es unzählige Meinungen, Erfahrungen und Ausblicke. Seit rund elf Monaten befinden sich die Schulen im Ausnahmezustand und mit ihnen die Kollegien, die Familien und ganz besonders die Kinder und Jugendlichen. Distanz-Unterricht mit und ohne Videokonferenzen, Tests per Online-Tools, Elternabende übers Netz und immer wieder die bangen Fragen: Wie geht es weiter? Kann man den Schülerinnen und Schülern überhaupt gerecht werden? Was machen diese Monate auf Distanz mit ihnen, sowohl im Hinblick auf das Miteinander als auch auf Lernen und Bilden? Wir haben nachgefragt: Fünf Fragen an Christiane Dickhut, Leiterin der Sekundarschule Meinerzhagen.
Frau Dickhut, die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es den Kindern nach fast einem Jahr vorwiegendem Homeschooling?
Ich bin wirklich froh, sagen zu können, dass wir inzwischen auf guten Grundlagen aufbauen können, die sich in allen Situationen immer wieder bewähren. Als der Unterricht vor Ort zwischenzeitlich möglich war, wurden die Lerngruppen bewusst in festen, kleinen Teams gestaltet. So können wir auch jetzt die unterschiedlichen Bedürfnisse und Themen abdecken. Die Schülerinnen und Schüler müssen eine Menge Eigenarbeit leisten. Dabei werden sie intensiv von den Lehrkräften unterstützt, und die meisten haben sich erfolgreich in die neue Situation hineingefunden. Und: Wir als Schule können sehr flexibel, je nach Sachlage, auf Hybrid- oder Unterricht vor Ort umschalten.
Stichwort technische Ausstattung – wie ist die Lage in dieser Hinsicht?
Zum Glück sind wir als relativ junge Schule ohnehin technisch sehr gut ausgestattet. Alle Klassen haben interaktive Tafeln, Notebooks und Convertibles stehen bei Bedarf für den Unterricht zur Verfügung. Das interaktive Arbeiten ist bei uns grundsätzlich ein Bestandteil des Lernens. Allerdings hat Corona den Schwerpunkt von jetzt auf gleich auf durchgängig digitales Distanzlernen verschoben. Deshalb haben wir frühzeitig auf eine Lernplattform gesetzt, die inzwischen sehr gut läuft und genutzt wird. Die Infrastruktur steht also, wir haben viele junge Kolleginnen und Kollegen, für die digitales Lernen ganz selbstverständlich ist. Und wir haben – und da ist Meinerzhagen eine ganz große Ausnahme – bereits zum Jahreswechsel die Lehrerschaft und die Kinder, die ein Tablet für die Arbeit zu Hause brauchen, mit Geräten versorgt. Dass der Schulträger sich frühzeitig um die Anschaffung der digitalen Endgeräte gekümmert hat, hat uns sehr geholfen. Denn es gibt durchaus Kinder, die nur mit einem Handy zurechtkommen oder sich die Technik zu Hause teilen müssten. Auch wenn es zu Hause vielleicht schwierig ist – der Kontakt zu den meisten Kindern ist damit gesichert. Und das ist das allerwichtigste.
Wie läuft ein Schulalltag ab?
Der Schultag richtet sich komplett nach dem Stundenplan. Ab 7.40 bzw. 8.30 Uhr beginnt der Tag mit Online-Unterricht in Form von Videokonferenzen oder Chats. Die Schülerinnen und Schüler nehmen je nach Lernumgebung zu Hause mit oder ohne Kamera daran teil. Die Einheiten beinhalten auch eigenverantwortliches Arbeiten, das dann wiederum im gemeinsamen Chat besprochen wird. Außerdem gibt es zu fast allen eingereichten Aufgaben ein individuelles Feedback. So versuchen wir die Normalität des Schulalltags zumindest ein Stück weit aufrecht zu erhalten.
Mit welchen Problemen sehen Sie sich denn konfrontiert?
Leider ist es vereinzelt so, dass Schülerinnen und Schüler gar nicht mehr in Erscheinung treten. In diesen Fällen haben wir mit den Eltern das Gespräch gesucht und die Kinder nach Möglichkeit in die Schulbetreuung geholt, damit sie nicht verloren gehen. Unsere Schulsozialarbeiterinnen und eine Erzieherin begleiten diese Themen ganz engmaschig mit. Was wir aber – und das ist wirklich schön – auch sehen, sind positive Entwicklungen. Es gibt Kinder, die jetzt regelrecht aufblühen. Die sehr still in der Schule waren und für die diese Form des Lernens auch durchaus Vorteile bringt. Über solche Erkenntnisse freuen wir uns sehr.
Und wie kommen Sie als Kollegium klar?
Dass das Ganze kein Spaziergang ist, ist völlig klar. Wir alle vermissen die kurzen Wege und die Interaktion genauso wie die Kinder. Als Lehrkraft betreut man bis zu 150 Schülerinnen und Schüler – je nach Fach auch mehr. Da zieht sich der eigene Arbeitstag meist bis in den späten Abend. Wir müssen neues Lehrmaterial entwickeln, Themen und Inhalte anpassen. Denn Unterricht ist ja weit mehr, als nur Arbeitsmittel zur Verfügung stellen. Es geht um Interaktion, um das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten. Und da spielt die soziale Komponente eine ganz enorme Rolle.
Unser Glück ist, dass unser Kollegium wirklich zusammenhält. Die Kolleginnen und Kollegen helfen einander, sie bilden sich fort und sind hochmotiviert, gemeinsam diese Situation zu stemmen. Wir haben regelmäßige Chats, Videokonferenzen und Telefonate in unterschiedlichen Konstellationen. Auch die Kommunikation mit der Elternschaft funktioniert meist ganz hervorragend, und das ist eine sehr positive Erfahrung.
Christiane Dickhut ist seit der Gründung der Sekundarschule im Jahr 2013 deren Schulleiterin. Zuvor war sie seit 1993 ohne Unterbrechung als Lehrerin, seit 2001 als Schulleiterin tätig. Die Sekundarschule mit rund 400 Schülerinnen und Schülern, 50 Lehrerinnen und Lehrern, zwei Schulsozialarbeiterinnen und weiteren Kolleginnen und Kollegen ermöglicht verschiedene Schulabschlüsse, z.B. den Hauptschulabschluss nach der 9. oder 10. Klasse, einen mittleren Schulabschluss sowie, dank enger Kooperationen, mit dem Ev. Gymnasium Meinerzhagen, den nahtlosen Übergang zum Gymnasium, wo das Abitur als Abschluss möglich ist.
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