Für eine gute medizinische Versorgung: Bürgermeister Jan Nesselrath erklärt die Initiative der Stadt Meinerzhagen zur Ansiedlung von Medizinerinnen und Medizinern

Es ist ein Thema, das viele Kommunen gerade im ländlicheren Bereich beschäftigt, und auch die Stadt Meinerzhagen arbeitet seit längerem im engen Schulterschluss mit der hiesigen Ärzteschaft an langfristigen Lösungskonzepten – ein wichtiger Baustein dafür ist nun gefunden: Um die Ansiedlung von Ärztinnen und Ärzten hier in der Stadt zu fördern, ist kurz vor den Sommerferien eine von der Stadt erarbeitete Richtlinie durch den Rat verabschiedet worden. 

Deren Kern: Um einen Mangel an Allgemein- und Fachmedizinern vorzubeugen, unterstützt die Stadt die Ansiedlung neuer Ärztinnen und Ärzte künftig mit 10.000 Euro, in begründeten Fällen mit bis zu 20.000 Euro pro Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren. Diese Summe soll an Medizinerinnen und Mediziner gehen, die für mindestens zehn Jahre eine Praxis übernehmen oder sich neu in Meinerzhagen ansiedeln, und sie gilt sowohl für Allgemein- als auch für Fachärzte. Seit Ende Juni ist die Richtlinie in Kraft – an ihrer Entwicklung arbeitete Bürgermeister Jan Nesselrath in enger Zusammenarbeit mit ansässigen Ärztinnen und Ärzten schon seit langem. Wie es zu dieser Lösung kam, erläutert er im Interview:

Erklären Sie uns doch kurz die Ausgangssituation: Warum ist der Ärztemangel gerade in kleineren Städten so groß?

Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Wenn ich es auf den Punkt bringen soll, dann mit den Stichworten: hoher Bedarf angesichts des demografischen Wandels, schwierige Planungssituation und finanzielle Ungewissheit für Ärztinnen und Ärzte. Tatsächlich wählen viele Mediziner eine Anstellung zum Beispiel in der Forschung oder im Krankenhaus anstelle einer eigenen Praxis, sei es, weil sie sich diese schlicht nicht leisten können oder die Belastung einfach zu hoch wäre. Außerdem sehen wir eine hohe Bürokratisierung und eine immer engere Budgetierung: Es ist gar nicht so einfach, sich mit eigener Praxis niederzulassen, selbst wenn man es will. Und was wir neben alldem nicht vergessen dürfen, ist der demografische Wandel. Eine geringere Anzahl an Medizinern steht einer wachsenden Anzahl von Patienten gegenüber. Das alles merkt man überall, in kleineren Städten macht es sich aber zuallererst bemerkbar. In Ballungszentren ist es immer noch einfacher, eine Praxis aufzubauen, weil die Infrastruktur mehr Flexibilität zulässt. 

Das alles kann aber nicht bedeuten, dass man in kleineren Städten Monate auf einen Termin warten oder dass man einen Weg in Kauf nehmen muss, um einen Facharzt zu sehen, den man vielleicht kaum bewältigen kann. Wenn wir über Lebensqualität und Infrastruktur reden, dann ist eine ordentliche Ärzteversorgung ein ganz wichtiger Punkt. Das kann man nicht wegdiskutieren und da hilft auch die Landarztquote nur bedingt.

Und wie ist die Situation in Meinerzhagen konkret?

Tatsächlich ist die Versorgung mit Allgemeinmedizinern in Meinerzhagen noch recht gut, wir sehen aber auch, dass die Situation hier die Themen widerspiegelt: Unsere Arztpraxen haben es nicht leicht, Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden. Auch hier gibt es einen Bedarf an Facharztpraxen, die zwar in umliegenden größeren Städten, nicht aber im näheren Umfeld angesiedelt sind. Unterm Strich sind wir hier noch recht gut aufgestellt, das aber eben nicht in allen Bereichen. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir bereits jetzt etwas gegen eine mögliche Unterversorgung tun, die in ein paar Jahren droht. Das ist meine Aufgabe für heute, nicht eine von morgen. 

Was haben Sie in diesem Zusammenhang unternommen?

Wir haben schon vor Jahren Gespräche mit der hiesigen Ärzteschaft aufgenommen und uns regelmäßig ausgetauscht. Wo sehen sie die Probleme, was sind ihre Prognosen, was können wir gemeinsam tun? Das war der erste Schritt. Während der Pandemie gab es andere Themen zu lösen, aber wir haben den Faden bereits vor längerer Zeit wieder aufgegriffen. Für mich war ein weiterer wichtiger Punkt, die „andere Seite“ zu hören: Was hindert den Nachwuchs daran, sich hier niederzulassen und selbständig zu machen? Darüber habe ich lange mit jungen Medizinerinnen und Medizinern, mit Fachleuten aus dem Gesundheitswesen und natürlich auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung gesprochen. Und fast immer kommt die gleichen Stichworte: Unsicherheit, Bürokratie, nicht genug Geld für eine Investition in die eigene Praxis. 

Da setzen wir jetzt an. Im Übrigen haben die laufenden Gespräche auch erste Erfolge und viel Erfahrung gebracht. Wir haben auch bereits konkrete Verhandlungen mit Fachärzten geführt. Aus alldem haben wir gelernt und legen jetzt nach. Hilfreich ist natürlich, dass wir schon vor einigen Jahren das Multimedicum hier in Meinerzhagen aufgebaut haben und es uns dank enger Zusammenarbeit gemeinsam gelungen ist, das Bestehen aller Praxen in Meinerzhagen und Valbert zu sichern. 

Warum haben Sie gerade diesen Lösungsweg gewählt?

Ich denke, dass dieser Weg am meistversprechenden ist, denn er bindet alle Seiten mit ein: die niedergelassene Ärzteschaft, die jungen Medizinerinnen und Mediziner, die sich eigentlich gerne eine selbständige Zukunft aufbauen wollen, und natürlich und vor allem die Menschen, die hier leben, mit ihren medizinischen Bedürfnissen. Dazu kommen die bestehenden Rahmenbedingungen, die wir ebenfalls berücksichtigen müssen, und unsere Perspektive als Stadt. Ich möchte einen guten, möglichst unbürokratischen und langfristigen Weg gehen, und ich glaube, den haben wir zusammen in dieser Form gefunden. 

Und was würden Sie interessierten bzw. angehenden Medizinerinnen und Medizinern raten? 

Ich denke, das Gute ist, dass wir hier in Meinerzhagen bereits in engem Austausch mit der Ärzteschaft sind, so dass wir eine gemeinsame Ausgangsbasis haben, alle an einem Strang ziehen und mit diesem neuen Baustein gute Rahmenbedingungen bieten. Deshalb freue ich mich über jede Kontaktaufnahme, wenn Interesse besteht, und wir besprechen die Möglichkeiten und alles weitere direkt. Es gibt verschiedene Modelle für Medizinerinnen und Mediziner sowie auch für Studierende, sich hier einzubringen und sich eine berufliche Zukunft aufzubauen.

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