Wer schon einmal die Sekundarschule am Rothenstein besucht hat, dem wird es vielleicht aufgefallen sein: Farbenprächtig und vielfältig präsentiert sich der Schulgarten an der Rückseite des Gebäudes und macht neugierig. Denn hier sieht es so gar nicht nach dem aus, was wir klassisch unter einem Schulhof verstehen würden. Statt Pflasterplatz eröffnet sich hier eine bunte Wiese voller Blumen, Sträucher und Bäume. Hinter dieser Pracht steckt Lehrerin Claudia Andrieu, die sich seit vielen Jahren für das Wachsen und Gedeihen des Schulgartens engagiert. Keine Frage, dass dabei Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein ganz selbstverständlich Teil des schulischen Miteinanders werden – ein guter Grund, um an einem der letzten schönen Herbsttage in der Sekundarschule vorbeizuschauen…
Ein Blütenchaos, das glücklich macht: Wohlfühloase für Insekten und Freude fürs eigene Auge
Es ist ein Dienstagmittag im September. Der Schulbetrieb läuft, ein paar Kinder stecken neugierig die Köpfe aus den Fenstern. Heute lassen wir das wuchtige Gebäude der Sekundarschule hinter uns und stehen binnen weniger Augenblicke vor einer Wiese, die es in sich hat. Ringel- und Sonnenblumen strahlen um die Wette. Eine riesige Duftnessel zieht Kohlweißlinge und andere Insekten an. Mittendrin: Claudia Andrieu, 61, Lehrerin für das Fach Deutsch, Sonderpädagogin und Berufsberaterin. Sie hat einen vollen Schulalltag, und doch nimmt sie sich die Zeit, um dieses Kleinod zu hegen, zu pflegen und weiterzuentwickeln.
Begonnen hat alles vor zehn Jahren, als sie ihre Stelle als Lehrkraft an der noch jungen Sekundarschule angetreten hat. „Die Idee für einen Schulgarten kam bei allen gut an. Gemeinsam mit den Kollegen aus dem Bauhof haben wir erst einmal Beete angelegt und mit Mutterboden aufgeschüttet, und dann ging es los.“ Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern baute Claudia Andrieu Kartoffeln an, auch Kohl, Zucchinis und Kürbisse fanden ihren Platz, „denn diese Sorten wachsen in der Regel gut und sind sehr robust, so dass wir über Jahre eine gute Ernte hatten.“ Gemüse und Früchte wurden unter den Schülern aufgeteilt, und an der selbstgepflasterten Feuerstelle fand auch schon das eine oder andere Grillfest mit Selbstgeerntetem statt.
Mit Schubkarre und Spaten unterwegs
Die heißen Sommer der vergangenen Jahre brachten allerdings eine Wende: Zu viel Wasser wurde benötigt, um das Wachstum der Pflanzen zu sichern, „und das war alles andere als nachhaltig“, resümiert Claudia Andrieu. „Außerdem wurde die Ernte magerer, und wir standen vor der Frage: Können wir den Garten wirklich so fortführen?“ Zeitgleich begann ihr Kollege Christian Serowy, über die Ansiedlung eines Bienenvolks nachzudenken, und damit war es besiegelt: Aus dem Nutz- sollte ein Bestäubergarten werden, der vor allem Nahrung für Insekten bietet.
Anstelle von Kartoffeln und Zucchini ging es nun um die Frage, welche Pflanzen möglichst über das ganze Insekten-Jahr hinweg Nahrung bieten und dabei selbst möglichst wenig Wasser brauchen. Und so entstand der bunte, fröhliche Garten, der beim bloßen Anblick gute Laune macht. Die Fette Henne, die Heckenrose oder auch die Katzenminze seien zwar nicht ihre Favoriten für einen Blumengarten, lacht Claudia Andrieu, „aber sie erfüllen die Kriterien und entwickeln sich wirklich gut im Beet.“ Als Vogelschutzgehölz darf auch eine Schlehe nicht fehlen, deren Früchte die Vögel durch den Winter bringen. Als Nutzpflanzen finden sich nur noch Johannesbeeren und Herbsthimbeeren sowie Kräuter, und die sind bei den Kindern besonders beliebt: Naschen ist erlaubt!
Bestäuberparadies: ein Obstbaum für jeden neuen Jahrgang
Aber der Garten hat noch ein zweites Highlight: Schon führt Claudia Andrieu uns an den Beeten vorbei zur Streuobstwiese, auf der für jeden neuen Jahrgang ein junger Obstbaum gepflanzt wird. Der erste ist schon groß und dicht, während die anderen Bäumchen noch deutlich im Wachstum sind. „Wir wollen hier etwas Schönes schaffen, Wissen vermitteln und zeigen, was man mit Energie und Liebe schaffen kann. Dafür ist unser Schulgarten mit all seinen Facetten einfach ein tolles Beispiel.“
Projektarbeit für die gesamte Schulgemeinschaft
Überhaupt gehört der Garten zur Schulgemeinschaft dazu: Unterstützt wird Claudia Andrieu in ihrer Arbeit von Schülerinnen und Schülern, denen das Gärtnern einfach Spaß macht. Eine AG gibt es nicht, dafür sind die Arbeitseinsätze zu uneinheitlich. Umso mehr freut sich Claudia Andrieu über den oft spontanen, manchmal aber auch kontinuierlichen Einsatz von Seiten der Kinder und Jugendlichen: „Manche haben einfach einen grünen Daumen und es ist schön zu sehen, wie sie ihre eigene Leidenschaft fürs Gärtnern entdecken. Und andere bringen von zu Hause schon viel Vorwissen mit und haben tolle eigene Ideen.“ Manchmal kommen auch Kinder und Jugendliche dazu, die eine Pause vom stressigen Alltag brauchen und bewusst aus dem Unterricht in den Garten gehen, um dort Ruhe zu tanken. Ganz unterschiedlich ist also die Zusammensetzung derer, die Schüppe und Schere in die Hand nehmen, „und das macht es einfach spannend und abwechslungsreich.“
Und bevor es wieder in den Unterricht geht, zeigt Claudia Andrieu uns quasi im Vorübergehen ihr jüngstes Projekt: Aus dem Rahmen eines ehemaligen Insektenhotels soll noch vor Winterbeginn eine neue Nisthilfe für Insekten entstehen – natürlich gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern, die Spaß und Freude daran haben, etwas zu schaffen. Jetzt aber können erst einmal die Herbstferien und die Winterzeit kommen: Noch blühen zahlreiche Blumen in prachtvollen Farben, und dann geht es in den Winterschlaf bis zum nächsten Jahr…
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