Seit März 2018 ist das Quartier der Generationen an der Genkeler Straße ein Zuhause – und zwar nicht nur für 57 Familien in zum Teil öffentlich geförderten Wohnungen, sondern auch für 24 Menschen, die hier in drei Demenz-Wohngemeinschaften leben. Aus der ehemaligen Hauptschule wurde ein Modellprojekt für modernes Wohnen, das über die Region hinaus Schule macht und ganz neue Möglichkeiten für das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufzeigt. Entwickelt und umgesetzt wurde die Idee seinerzeit von der APD Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen GmbH (APD) in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Meinerzhagen. Die Verbindung der Hauptakteure, APD-Geschäftsführer Claudius Hasenau und Bürgermeister Jan Nesselrath, ist seitdem nicht abgerissen, denn hier ist für beide eine Herzensangelegenheit Wirklichkeit geworden. Zum zweijährigen Bestehen stattete Jan Nesselrath – nach einer coronabedingten Verzögerung – dem Quartier der Generationen nun wieder einen Besuch ab.
„Der erste Eindruck zählt“ – so lautet eine landläufige Meinung. Hier, an diesem ruhigen und zugleich lebendigen Ort, erschließt sich dem Besucher eine ganz besondere Atmosphäre: Aus dem einstigen Schulhof wurde ein liebevoll gestaltetes Areal mit viel Grün, mit Wasser, Wegen und Sitzgelegenheiten. Blumenwiesen, Kräuterbeete und ein Bienenstock haben hier ebenso ihren Platz gefunden wie die alte Turmuhr der Schule. Eine fantastische Sicht auf das Stadtpanorama mit Sprungschanze rundet den ersten Eindruck ab. Hier findet man Ruhe und ist doch mitten in Meinerzhagen, ein Teil der städtischen Gemeinschaft.
So vielfältig und offen wie der Blick ist auch das Quartier als Wohn- und Lebensraum selbst, denn: „Bauen, das können viele. Wir schaffen Lebenswelten“, bringt es Claudius Hasenau auf den Punkt. Er ist extra für den gemeinsamen Termin mit seiner Frau Anja, ebenfalls APD-Geschäftsführerin und Leiterin Personal, nach Meinerzhagen gekommen. „Raum, Licht und Platz zum Atmen machen eine positive Grundstimmung aus“, führen die beiden aus. „Wenn man eine gute Umgebung gerade für Menschen mit Demenz schaffen will, muss das Konzept stimmig und durchdacht sein. Hier war das, auch dank aller Beteiligten, in jeder Hinsicht möglich und unsere Wohngemeinschaft wird seit dem ersten Tag sehr gut angenommen.“
Der Zufall schrieb Geschichte: Leuchtturmprojekt dank gemeinsamer Initiative
Ein weites Entrée mit sanften Farben lädt zum Hereinkommen und Verweilen ein; die offene Architektur mit großer Treppe, Eingangsbereich aus alten Zeiten und eine zum Tisch umfunktionierte Werkbank erinnern daran, dass hier einst reger Schulbetrieb herrschte. „Den Charakter des Gebäudes wollten wir bewusst bewahren“, erzählt Claudius Hasenau, während er mit Jan Nesselrath an seinem Lieblingsplatz im Haus, einem leuchtend roten Sofa etwas abseits im ersten Stock, Platz nimmt. Gemeinsam lassen die beiden dort Revue passieren, wie es zu diesem ungewöhnlichen Projekt kam: „Wie so oft stand der Zufall auch hier Pate für eine Erfolgsgeschichte, bei der die richtigen Leute am richtigen Ort mit den richtigen Ideen aufeinander treffen“, fasst Jan Nesselrath zusammen. Bei einem informellen Austausch, an dem er rein interessehalber teilgenommen hatte, kam die Sprache darauf, wie man Gebäude einer neuen Nutzung im Pflegebereich zuführen könnte – zum Beispiel ehemalige Kirchen oder Schulgebäude. „Ein Schulgebäude haben wir auch, habe ich damals spontan gesagt“, erinnert sich Jan Nesselrath, „und der Rest ist Geschichte.“ Schon am nächsten Tag kam einer der künftigen Investoren nach Meinerzhagen, nahm die leerstehende Hauptschule in Augenschein und befand: Dieses Haus hat Potenzial. Gemeinsam setzte man sich an einen Tisch und machte Nägel mit Köpfen.
Nach nur drei Jahren Planungs- und Bauzeit sowie Investitionen in Höhe von 18 Millionen Euro ist das Gebäude, dessen weitere Nutzung zuvor mehr als ungewiss gewesen war, zu einer Heimat von Familien, einer Kita und eben drei Demenz-WGs geworden – und zu einem Vorbild- und Leuchtturmprojekt für andere Vorhaben, wie Anja und Claudius Hasenau unisono feststellen. „Ohne die hervorragende, unkomplizierte Zusammenarbeit und die vielen Hilfestellungen von Bürgermeister und Stadt hätten wir das so nicht stemmen können“, so Claudius Hasenau. „Darin stecken viel Engagement, Kreativität und vor allem die Bereitschaft, gemeinsam etwas Gutes, Neues zu schaffen – eine solche Unterstützung haben wir bei keinem anderen Projekt erlebt.“
Einige Klassenräume sind großzügigen Aufenthalts- und Essräumen mit Kochtresen gewichen, aus anderen wurden Wohnräume für die Bewohner. Neben Sinika Krauß, als Leiterin Soziale Betreuung liebevoll auch „Hausmutter“ genannt, sind Teams von Pflege- und Alltagskräften vor Ort, „die einen hervorragenden Job machen – professionell und gleichzeitig auch persönlich“, wie Anja Hasenau betont. Auch die Angehörigen spielen eine wichtige Rolle: Sie sind gefragt, sich einzubringen und bei der Alltagsgestaltung mitzuwirken. Gemeinsam unternimmt man schöne Dinge, man kocht und sieht fern, „und auf diese Weise können sich die Bewohnerinnen und Bewohner ganz nach ihren Möglichkeiten und Wünschen einbringen. So entstehen Beziehungen, die im weiteren Verlauf der Demenzerkrankung erhalten bleiben.“ Hier kennt man sich, man hat Zeit füreinander und Freude am Leben – das stellt auch Jan Nesselrath schnell fest, der auf seinem Rundgang immer wieder alte Bekannte trifft und auf einen Plausch zurückbleibt. „Das ist das Schöne an einer Stadt unserer Größe“, findet er genauso wie die Angehörigen, die froh sind, den geliebten Menschen in guter Obhut und vor allem auch in der Nähe zu wissen.
Gelebte Nachbarschaft – gemeinsame Werte: Quartier als schöne Ergänzung der städtischen Gemeinschaft
Alles, was im Quartier der Generationen geschieht, basiert auf Wertschätzung und auf Respekt der Menschen sowie ihrer Bedürfnisse. Auch die Mieterinnen und Mieter der umliegenden Wohnungen und die Kinder der benachbarten Kita sind Teil des Quartiers. Hier kennt man sich, spricht miteinander, spielt oder grillt auch mal zusammen. Und so ist der Wohnkomplex an der Genkeler Straße ein Spiegel Meinerzhagens, ein eigener kleiner Ortskern, in dem man zusammenkommt und Nachbarschaft lebt. Auch dieser Eindruck verfestigt sich im Laufe des Nachmittags – und so verwundert es nicht, dass mitten auf dem Platz vor dem Eingang die im Stadtbild so oft sichtbare Flagge mit dem „Herz für Meinerzhagen“ weht. Denn das Quartier der Generationen gehört inzwischen so selbstverständlich zur Stadt wie vieles andere – eine echte Herzensangelegenheit eben, für alle, die hier leben und arbeiten.
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