„Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, verordnen (…): Die Beurkundung der Geburten, Heiraten und Sterbefälle erfolgt ausschließlich durch die vom Staate bestellten Standesbeamten mittels Eintragung in die dazu bestimmten Register.“ Was am 9. März 1874 verkündet wurde, hat bis heute Bestand: Die Stellung der Kirche als bis dahin alles entscheidende in ihren Kirchenbüchern dokumentierende Instanz von Geburt, Tod und Eheschließung war mit diesem Erlass unwiderruflich beschnitten. Bis zu diesem Tag hatte es evangelische und katholische Kirchenbücher bzw. separate Register gegeben.
Für die Verwaltung im ganzen Lande bedeutete dies ebenfalls entscheidende Veränderungen. Die Standesämter wurden eingeführt – und das gilt auch für Meinerzhagen, wo heute ein besonderes Jubiläum ansteht. Vor genau 150 Jahren, am 1. Oktober 1874, öffnete das Standesamt in Meinerzhagen erstmals seine Türen. Seitdem kümmern sich Standesbeamtinnen und -beamte um die Dokumentation und Durchführung der wichtigsten Ereignisse im Leben der Menschen.
Daten als „Zeitzeugen“: Erhebungen gaben Aufschluss über Entwicklungen
Während heute ein Team von vier Standesbeamtinnen und Standesbeamten diese Aufgaben übernimmt, war es seinerzeit, im Jahr 1874, ein einzelner Beamter: „In unseren Räumen lagern noch die Bücher“, weiß Stadtarchivarin Ira Zezulak-Hölzer, „in denen die Eintragungen seitdem vermerkt wurden. Auch die erste Ernennungsurkunde der Königlichen Regierung, in der der Amtmann von Orsbach am 19. August 1874 eingesetzt wurde, liegt uns noch vor.“ Seinen Platz hatte das „Königlich Preußische Standesamt“ in Meinerzhagen über viele Jahre im Alten Rathaus, und auch Valbert hatte bis ins Jahr 1968 einen eigenen Standesbeamten, der in Wilkenberg bzw. später in Pütthof[1] die entsprechenden Handlungen vornahm.
Wie die Standesämter zu führen waren, welche Daten zu ermitteln und zu registrieren waren, Statistiken und Gebühren – all diese Informationen und Inhalte änderten sich im Laufe der vergangenen 150 Jahre. Der Startschuss zur Einsetzung von staatlichen Standesbeamten ist aber eindeutig auf die Zeit Otto von Bismarcks zurückzuführen, des berühmten Reichkanzlers unter Wilhelm I, dessen Ziel es war, die Macht der katholischen Kirche und der ihr nahestehenden Zentrumspartei zu beschneiden. Die Zivilehe war ab sofort der entscheidende Akt, wollte man den Bund fürs Leben schließen – der Segen der Kirche folgte dem erst nach. Neben der Stärkung der staatlichen Macht war es damit auch möglich, überkonfessionell zu heiraten oder die Scheidung einzureichen. Außerdem gaben die Bücher fortan Aufschluss über wichtige Informationen, darunter die Erhebung von wehrfähigen Männern, mögliche Todesursachen, demografische Entwicklungen und zur Zeit des Nationalsozialismus auch im Hinblick auf die Rassenideologie. So trat im Jahr 1938 anstelle des Heiratsregisters und der davon getrennten Personenstandsbüchern ein zweiteiliges „Familienbuch“, das entsprechende Rückschlüsse zulassen sollte. Erst zum Jahresbeginn 1958 wurde dies wieder abgeschafft.
Begleitung und Betreuung bei wichtigen Ereignissen
Und was hat sich seitdem getan? „Die Aufgaben von Standesbeamtinnen und -beamten sind inzwischen deutlich vielfältiger geworden“, fasst Yvonne Rautenberg, Leiterin des städtischen Fachdienstes Ordnung und selbst Standesbeamtin, zusammen. Sie trägt gemeinsam mit Sina Aydin, Nurdan Öcal und Thomas Schwan heute für die Aufgaben des Standesamtes Sorge, „und dazu gehört auch die Begleitung der Menschen in besonderen Situationen, kurz nach der Geburt eines Kindes, im Todesfall und natürlich im Rahmen der Eheschließung.“
Auch dieser „schönste Tag im Leben“ ist heute bunter als noch vor wenigen Jahren – davon zeugt nicht zuletzt die Möglichkeit, Ehen unter gleichgeschlechtlichen Partnerinnen bzw. Partnern zu schließen. Yvonne Rautenberg: „Vor allem sind wir für die Bürgerinnen und Bürger da und begleiten sie in sehr intensiven Phasen ihres Lebens, und das ist sehr erfüllend.“ Rund hundert Ehen werden pro Jahr etwa in Meinerzhagen geschlossen, gleichzeitig auch die Geburten und Sterbefälle registriert. Und so entstehen kontinuierlich weitere Zeitdokumente, die im Laufe der Jahre ihren Weg ins Stadtarchiv finden und festhalten, wie man zu seiner Zeit lebte und liebte.
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